Ein Weihnachtstraum(a)

Adventszeit und Weihnachten sind für viele Menschen ein Grund zur Freude. Nicht für mich. Ich assoziere mit Dezember überfüllte Postämter, schlechten Glühwein im Gedränge, durch kitschige Dekoration verunstaltete Fenster, mit Briefen an den Weihnachtsmann veräppelte Kinder, gestresste Familienmitglieder, die sich ja alle doch so lieb haben müssen, sinnlosen Geschenkezwang und missbrauchte Tannenbäume. Desto mehr mag ich den Januar in seiner zweiten Hälfte. Wenn die Neujahrswünsche langsam abklingen. Zu Weihnachten ergreife ich die Flucht.

Weihnachten UNIQUE DOG

Ich mag Weihnachten nicht. Das aber ganz leidenschaftlich. Den ersten Anflug von schlechter Laune bekomme ich Ende September, als im Handel erste Spekulatiuskekse und Dominosteine erscheinen. Dabei liebe ich Süßes. Nur dieses Wohldosierte und saisonal Erhältliche nervt mich. Ich möchte bitte an 365 Tagen Lebkuchen essen dürfen und nicht nur dann, wenn die Lebensmittelindustrie es für richtig hält. Seit ein paar Jahren ist die vorweihnachtliche Genusszeit übrigens immer ausgedehnter geworden. O du fröhliche! Der Handel ist sehr gnädig mit den Konsumenten – wir dürfen uns noch länger vorfreuen!

Das Christkind macht um Polen einen Bogen

Ich mag Weihnachten nicht. Dabei bin ich keine Spielverderberin und keine Asketin. Als Kind habe ich das Fest regelrecht geliebt. In Polen gab es Walt Disney nur zu Weihnachten. Manchmal aber auch keinen Strom, oft just als Micky Maus oder Pluto über die Bildschirme huschen sollte. Ein traumatisches Erlebnis, über das mich als Fünf- oder Sechsjährige nur der Besuch des Weihnachtsmannes trösten könnte. Denn so katholisch Polen auch ist – das Christkind besucht unser Land nicht. Wir warten seit Generationen sehnsüchtig auf den Fettsack in Rot. Ganz heidnisch. O du selige! Was bringt er mir denn dieses Jahr?
Hoffentlich keine Colaflasche, der Fettwanz.

Tannenbaum, der Wegwerfartikel

Ich mag Weihnachten nicht. Weil das ein Familienfest ist, bei dem weit entfernte Familie am Tisch zusammengepfercht wird und auf fröhlich macht, ohne sich etwas zu sagen zu haben. Und weil der Familienbesuch oft nur eine Pflichtveranstaltung ist, von der man sich hinterher ein paar Tage lang erholen muss. Wenn der Urlaub reicht. Soviel zum Fest der Liebe. Bei mir beschränkt sich die Liebe nicht auf drei Tage im Kalender und wird auch nicht im Schatten des Tannenbaumes zur Schau gestellt. O Tannenbaum, O Tannenbaum, du kannst mir sehr gefallen! Aber nur kurz. Ein paar Tage, danach fliegst du. Gerne ikea-like im hohen Bogen aus dem Fenster. Ein Wegwerfartikel par excellence. Zuvor in einer Monokultur mit fetter Ladung Pestizide gezüchtet, nicht selten im fernen Ausland. Wie lieb wir dich doch haben und unsere Umwelt. Zum Glück gibt es Alternativen. Mieten statt kaufen. Sharing ist schließlich das neue Besitzen. Für ein Promille der Gesellschaft zwar. Aber immerhin.

Schenken bis der Arzt kommt

Ich mag Weihnachten nicht. Es hat so viel mit Besinnlichkeit und Innehalten zu tun wie meine Rottweilerhündin mit Grazie. Schenken wird's zur Religion, Sucht, Hysterie. Zu den penetranten „Last Christmas“-Tönen in den Shoppingmalls oder bequem online, umgeben von Werbebannern voller glitzernden Sterne, grinsender Schneemännern und flauschiger Schneeflocken werden Geschenke in rauen Mengen gekauft. Ohne dass man sich zu viele Gedanken über die Person macht, die später den Schnellkocher oder Drogeriegutschein bekommt. Hauptsache viel. Und teuer. Aber vor allem viel – den Preis kann man ohnehin meist schlecht erraten, es gibt doch schließlich „Geiz ist geil“-Aktionen und „Ich bin doch nicht blöd“- Rabatte. Da kann man so richtig sparen und die Familie trotzdem mit Markenware beeindrucken, die kurz nach Garantieende den Geist aufgibt. Freue, freue dich! Und den Weihnachtsstern nehmen wir auch noch mit. Für Querdenker gibt's ihn auch in Blau.

Glüh', Weinchen, glüh'

Ich mag Weihnachten nicht. Auch wenn ich den Drang, sich das Leben zu dieser Jahreszeit besonders schön machen zu wollen, durchaus verstehe. Umgeben von nackten Bäumen, hässlichen Sträuchern und grauen Straßen sehnt man sich nach Licht und Freude. Also los zum Weihnachtsmarkt. Glühwein, Feuerzangenbowle und Bratäpfel schmecken gleich zweimal so gut, wenn man sie im dichten Gedränge zu sich nimmt. Koste es was es wolle, es ist schließlich Adventszeit. Da darf man sich doch was gönnen. Hoffentlich fährt mich kein Laster um. Den Balkon und die Fenster dekorieren wir auch ganz festlich. Je mehr Farben, desto besser – es ist ja so grau draußen. Und wenn die Lichterkette noch wild blinkt, ist die Freude ganz. Die blöden Nachbarn wissen nicht, was schön ist. Es wiad scho glei dumpa. Viel zu schnell. Also bringen wir die Welt zum Strahlen. Öko-Strom hin oder her.

Lesen statt lechzen

Ich mag Weihnachten nicht. Es ist für mich der Gipfel des Konsums. Rattenrennen, nur festlicher. Mit Zimtduft und Sternenglitzern. Deswegen seile ich mich ab und verkrieche in einer Hütte, weit weg von dudelnden Weihnachtsmärkten und tristen Tannen-Verkaufsstellen, die nach Gefängnissen für Bäume aussehen. Last uns froh und munter sein. Das gelingt mir viel besser, wenn ich dem Wahnsinn entfliehe. Mit einem guten Buch, beim Kaminfeuer, in Stille kann ich Weihnachten genießen. Das ist das beste Geschenk, das ich mir und meinen Lieben machen kann. Apropos Lektüre: Demnächst kommt mein zweites Buch auf den Markt: „Grüner Hund – Handbuch über nachhaltiges Hundeleben“. Vielleicht ist das auch etwas für Dich oder Deine hundehaltende Freunde? Besinnlichkeit auf hündisch statt Blingbling. Auch ohne Kaminfeuer.

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